Anspruch auf ein Praktikumszeugnis
Praktika sind in der Regel unbezahlt oder werden zumindest nur sehr schlecht vergütet. Die „Bezahlung“ der Praktikanten besteht aus gesammelten Erfahrungen, die gut im Lebenslauf aussehen und für das weitere Berufsleben nützlich sind. Oft werden Praktika vom zukünftigen Arbeitgeber oder von der Universität und anderen berufsbildenden Einrichtungen gefordert. Umso wichtiger ist es, am Ende des Praktikums nicht mit leeren Händen da zu stehen, sondern ein Zeugnis oder eine Bescheinigung in den Händen zu halten.
Welche Voraussetzungen muss mein Praktikum erfüllen, damit ich ein Praktikumszeugnis bekomme?
In welcher Form Praktikanten einen Anspruch auf ein Praktikumszeugnis oder eine Praktikumsbescheinigung haben, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Generell haben Arbeitgeber eine gesetzliche Pflicht zur Zeugniserteilung. Diese Pflicht ergibt sich aus verschiedenen Verordnungen: § 630 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und § 109 GewO (Gewerbeordnung). Für kaufmännische Angestellte kommt zusätzlich § 73 HGB (Handelsgesetzbuch) zum Tragen.
Für Praktikanten im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (§ 26 BBiG) ist der Anspruch auf ein Zeugnis in § 16 BBiG geregelt. Auch Praktikanten sind Arbeitnehmer. Wenn ihre Arbeitspflicht gegenüber dem Ausbildungscharakter überwiegt, greift wiederum § 109 GewO. Anspruch auf ein Zeugnis haben Praktikanten immer dann, wenn das Praktikum dazu dient „berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse oder berufliche Erfahrungen“ zu erwerben und ein „Mindestmaß an Pflichteinbindung an den Betriebszweck“ besteht. Das bedeutet im Klartext, dass ein offizieller Rahmen vorliegen muss, also etwa eine festgelegte Praktikumsdauer etc., und dass z. B. eine Anwesenheitspflicht besteht oder die Anwesenheit für die Durchführung des Praktikums notwendig ist.
Das Praktikumszeugnis muss nach § 16 BBiG zwingend Art, Dauer, und Ziel des Praktikums, erworbene Fertigkeiten sowie Kenntnisse und Fähigkeiten des Praktikanten enthalten. Angaben zum Verhalten und zu den Leistungen, wie sie in einem qualifizierten Arbeitszeugnis stehen [hier Link auf Text „einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis“], müssen in ein Praktikumszeugnis nicht zwingend einfließen. Es sei denn, der Praktikant wünscht das ausdrücklich. Werden sie aufgenommen, gelten die gleichen Regeln wie bei Zeugnissen für reguläre Angestellte.
Als Sonderfälle sind Schülerpraktika und Pflichtpraktika im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums von den Regelungen des § 16 BBiG ausgenommen. Hier besteht kein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. In der Regel wird durch eine Praktikumsbescheinigung lediglich die Teilnahme am Praktikum bzw. dessen Durchführung bestätigt.
Der Anspruch auf ein Zeugnis besteht übrigens auch dann, wenn der Praktikant direkt nach dem Praktikum in das Unternehmen übernommen wird. Das Praktikumszeugnis kann bei einem späteren Arbeitgeberwechsel durchaus noch einmal von Bedeutung sein, z. B. wenn im Praktikum auch Betriebszweige durchlaufen wurden, die nicht in Zusammenhang mit der späteren Anstellung stehen.
Unerheblich für den Anspruch auf ein Praktikumszeugnis sind auch die Tätigkeiten ein Praktikant im Einzelnen ausgeführt hat oder die Dauer des Praktikums.
Wie lange dauert es, bis ich mein Praktikumszeugnis erhalte?
Eine genaue gesetzliche Frist für die Erstellung eines Praktikumszeugnisses gibt es nicht. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass das Zeugnis „bei Beendigung der Beschäftigung“ vorliegen muss. In der Regel dauert es aber etwas länger. Zwei bis drei Wochen nach Praktikumsende, sollten dem Arbeitgeber aber auf jeden Fall ausreichen. Hinter einer Verzögerung steckt meistens keine böse Absicht, meistens sind firmeninterne Prozesse der Grund. Dennoch sollte ein noch ausstehendes Praktikumszeugnis zeitnah eingefordert werden. Wichtige Aspekte können sonst verloren gehen oder vergessen werden, je länger das Zeugnis aussteht. Vor allem ist zu beachten, dass Arbeitsrichter in der Regel einen Zeitraum zwischen sechs Monaten und drei Jahren angeben, nach dem die Pflicht erlischt, ein Zeugnis auszustellen. Wer sich also erst nach längerer Zeit um sein ausstehendes Praktikumszeugnis bemüht, geht im schlimmsten Fall leer aus. Das ist besonders ärgerlich, wenn ein Studien- oder Ausbildungsplatz an ein erfolgreiches Praktikum gebunden ist.
Mein Chef hat wenig Zeit – darf ich mein Zeugnis auch selbst schreiben?
Das eigene Praktikumszeugnis selbst zu verfassen ist durchaus gängige Praxis. Allerdings besteht kein Anspruch darauf. Häufig werden Arbeitgeber aber darum bitten, einen vorformulierten Zeugnistext einzureichen. Daran gibt erstmal nichts auszusetzen. Wenn das endgültige Zeugnis allen Formalitäten entspricht, auf offiziellem Briefpapier der Firma ausgestellt, unterschrieben und gestempelt ist, dann ist es ein gültiges Dokument. Es ist egal, wer den Text verfasst hat. Übernimmt der Arbeitgeber die Formulierungen des Praktikanten, bestätigt er mit seiner Unterschrift deren Richtigkeit.
Muss der Chef das Zeugnis eigenhändig unterschreiben?
Es besteht kein Anspruch auf ein vom Chef persönlich unterschriebenes Zeugnis. Es reicht aus, wenn ein (weisungsbefugter) Vertreter des Unternehmens das Zeugnis unterzeichnet. Vor allem in größeren Betrieben ist das häufig der Praktikumsbetreuer. Eine Unterschrift aus der Geschäftsleitung gibt es dort in der Regel nur, wenn auch das Praktikum in deren Bereich durchgeführt wurde.
Muss das Zeugnis vom Praktikanten abgeholt werden, wenn es der Arbeitgeber verlangt?
Es wird zwar nur selten vorkommen, dass das Praktikumszeugnis nicht auf dem Postweg verschickt wird, doch ein Anspruch auf Versand besteht tatsächlich nicht. Als Praktikant hat man ebenso wie ehemalige Arbeitnehmer eine Holschuld. Der Arbeitgeber muss das Zeugnis nur zur Abholung bereithalten. Es reicht nicht, wenn anstelle eines Zeugnisses in Papierform z. B. eine E-Mail geschickt wird. Der Gesetzgeber verlangt ein schriftliches Zeugnis und schließt die elektronische Form explizit aus (§ 16 BBiG).
Ich habe mir mein Zeugnis anders vorgestellt – was kann ich tun?
Ganz egal, ob ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis ausgestellt worden ist – Praktikanten haben nicht nur Anspruch auf ein Zeugnis, sondern auf ein korrektes Zeugnis. So banal das klingen mag, es stehen mit einem Zeugnisanspruch gleichzeitig auch alle Berichtigungsmöglichkeiten offen, die ein regulär angestellter Arbeitnehmer auch hat. Der Arbeitgeber unterliegt einer Wahrheits- und Wohlwollenspflicht. Er darf keine negativen und kritisierenden Formulierungen verwenden. Der Text muss klar und verständlich sein.
Daneben gibt es bestimmte Formalien, die ein Zeugnis erfüllen muss. Ein fehlendes Datum, ein falscher Praktikumszeitraum oder ähnliches müssen korrigiert werden. Das Praktikumszeugnis muss Angaben über Art, Dauer und Ziel des Praktikums sowie erworbene Fertigkeiten und Kenntnisse des Praktikanten enthalten. Nichts verloren haben darin hingegen der Kündigungsgrund (falls das Praktikum von Arbeitgeber abgebrochen wurde) und Angaben zu Partei- oder Vereinsmitgliedschaften, zur Religionszugehörigkeit oder gar zu Krankheiten, zur Hautfarbe oder zur sexuellen Ausrichtung. Auch Anschuldigungen, Vermutungen von Straftaten oder Beleidigungen gehören nicht in ein Zeugnis. Ausnahmen sind bewiesene oder verurteilte Straftaten, die in Zusammenhang mit der Tätigkeit im Unternehmen stehen.
Sollten entsprechende Formulierungen im Zeugnis auftauchen oder wichtige Dinge fehlen, empfiehlt sich zunächst ein klärendes Gespräch mit dem Arbeitgeber. Viele Unternehmen stellen für Praktikanten – vor allem in Pflichtpraktika – ohnehin keine qualifizierten Zeugnisse aus. Hier steht letztlich der Nachweis bestimmter Tätigkeiten für eine Ausbildung oder ein Studium im Vordergrund, nicht deren Bewertung. Ein einfaches Zeugnis ist nicht negativ, sondern neutral. Auch eine sonst übliche „Dankes- oder Bedauernsformel“ mit Floskeln wie: „Wir bedauern sehr, dass wir Herrn/Frau XY nicht in ein Angestelltenverhältnis übernehmen können, und danken ihm/ihr für die gute Zusammenarbeit. Für die Zukunft wünschen wir ihm/ihr alles Gute und weiterhin viel Erfolg“ muss nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 20. Februar 2001, Az.: 9 AZR 44/00) nicht Bestandteil eines einfachen Zeugnisses sein. Das ist unschön, weil ein Zeugnis ohne entsprechende Formel häufig negativ interpretiert wird. Die korrekte Dankesformel wird in der Regel als Bestätigung für ein sehr gutes Zeugnis bzw. eine sehr gute Leistung angesehen.
Der letzte Schritt – das Arbeitszeugnis vor Gericht
Lässt sich keine Einigung über ein korrekt ausgestelltes Praktikumszeugnis erzielen, bleibt im Zweifelsfall nur der Gang vor das Arbeitsgericht. Das ist auch Praktikanten möglich, die in diesem Fall juristisch wie jeder andere Arbeitnehmer behandelt werden. Dieser Weg wird aber bei einfachen Zeugnissen und Praktikumsbescheinigungen die Ausnahme bleiben. Zwar besteht vor dem Arbeitsgericht in der ersten Instanz kein Anwaltszwang, aber beide Parteien müssen ihre Prozesskosten selbst tragen. Sollte es also zu weiteren Verfahren kommen, so ist in der zweiten Instanz vor dem Landesarbeitsgericht eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt mit den entsprechenden Gebühren oder durch einen Vertreter der Gewerkschaft notwendig. In der dritten Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht kann ein Verfahren nur noch mit einem Rechtsanwalt geführt werden. Dadurch geht der Praktikant hohes finanzielles Risiko ein.